Interview zur Wasserknappheit im Salzlandkreis

Stefanie Olsen, Fachdienstleiterin des Fachdienstes Natur und Umwelt des Salzlandkreises, über die anhaltende Trockenheit und deren Auswirkungen für die Gesellschaft.


 

Frau Olsen, wie stellt sich die Situation für Sie derzeit dar?

Wir erleben seit 2017 eine andauernde, niederschlagsarme Zeit. Damit haben wir fünf Trockenjahre in Folge. Laut Hydrologen ist dieses Ereignis in Europa in den vergangenen 2000 Jahren nicht vorgekommen. Diese Dürreperiode hat gravierende Folgen.

Was bedeutet das?

Der Dürremonitor für Deutschland zeigt, dass die Böden nach relativ feuchten Perioden nur oberflächennah durchfeuchtet sind. In tieferen Bodenschichten ist es jedoch trocken wie in der Steppe. Der Salzlandkreis gehört dabei zu den niederschlagsärmsten Regionen in ganz Deutschland. Mit der Gemeinde Atzendorf bei Staßfurt liegt sogar der trockenste Ort der Bundesrepublik in unserem Kreisgebiet.

Ersichtlich ist die Wasserknappheit auch an den Pegelständen unserer Flüsse wie der Bode, Wipper oder Fuhne, die seither kontinuierlich fallen. Die Grundwasserstände liegen unter dem langjährigen Referenzzeitraum 1991 bis 2020 und sogar noch unter denen des Jahres 2022 im selben Zeitraum.

Können Sie das näher erklären?

Der Wasserkreislauf hat ein langes Gedächtnis. Die uns heute zur Verfügung stehenden Grundwasser-Reserven haben mindestens 100 Jahre für die Bildung gebraucht. Aufgrund des ausbleibenden Regens sowie der Zunahme der Entnahmen aus den Gewässern konnten und können die Defizite im Wasserkreislauf nicht ausgeglichen werden. Es fehlen schlichtweg 1,5 Jahre Niederschlag, auch wenn das Frühjahr 2023 in den Monaten März und April in Sachen Niederschlagsmengen gut war.

Deswegen das Verbot zur Wasserentnahme?

Ja, ist nicht genügend Wasser vorhanden, muss es Nutzungsbeschränkungen und Regulierungen geben, um zusätzliche negative Auswirkung auf den Wasserkreislauf sowie für die Ökosysteme so gering wie möglich zu halten.

Bedeutet das Verbot im Landkreis, das überhaupt kein Wasser mehr aus Flüssen und Seen entnommen werden darf?

Grundsätzlich ja. Jedoch haben wir Ausnahmen in der Allgemeinverfügung definiert. Als Ausnahme ist derzeit nur noch eine Wassernutzung von grundwassergespeisten Seen möglich. Diese sind konkret in der Allgemeinverfügung benannt. Aber ich appelliere, dass ein maßvoller Umgang mit der Ressource Grundwasser unser Handeln bestimmen sollte.

Viele Menschen haben einen eigenen Brunnen oder beabsichtigen einen zu errichten. Welche Einschränkungen gelten für das Grundwasser?

Die Nutzung des Grundwassers ist erlaubt, allerdingst innerhalb einer bestimmten Zeit. Die Regelung lautet, dass eine Bewässerung mit Grundwasser in der Zeit von 18 Uhr bis 8 Uhr möglich ist. Damit soll der hohen Verdunstungsraten tagsüber entgegengewirkt werden und die Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen gesteigert werden.

Welche Auswirkungen hat die Verfügung zur Wasserentnahme beispielweise für Kleingärtner oder Betreiber von Sport- und Freizeitplätzen?

Wenn zum Beispiel öffentliche Grünflächen oder Sport- und Freizeitplätze bisher mit Wasser aus angrenzenden Flüssen oder Seen gewässert worden sind, so ist das untersagt. Die Bewässerung solcher Anlagen mit Grundwasser ist zwar zu den zuvor genannten Zeiten möglich, sollte jedoch ausgesetzt werden, um die wertvollen Ressourcen zu schonen. Feuerwehren dürfen nur noch bei Einsätzen auf vorhandenes Fluss-, See- oder Grundwasser zurückgreifen, Übungen müssen sozusagen trocken abgehalten werden.

Wie kontrollieren Sie das Verbot?

Wir gehen Hinweisen aus der Bevölkerung selbstverständlich nach und kontrollieren in bestimmten Abständen auch ohne konkreten Anlass, ob die Vorgaben eingehalten werden. Allerdings gehören Kontrollen nicht zu den vorrangigen Aufgaben einer Unteren Wasserbehörde. Bußgelder mussten wir bisher nicht verhängen. Das ist auch nicht unser Ziel. Bei den Kontrollen geht es vielmehr um Aufklärung.

Müssen wir uns auch um unsere Trinkwasserversorgung Gedanken machen?

Die allgemeine Trinkwasserversorgung des Kreisgebiets wird aus den Einzugsgebieten der Rappbodetalsperre und der Colbitzer Heide sichergestellt. Auch wenn gegenwärtig keine Einschränkung bei der Nutzung bestehen, ist hier ein sorgsamer Umgang essentiell, um die Versorgung auch langfristig sicherzustellen.

Wie schätzen Sie die Entwicklung für die kommenden Jahre ein?

Wasser ist ein existenzielles Thema, weil es sowohl für den Menschen, als auch für die Pflanzen, Insekten und Tiere die Lebensgrundlage darstellt. Neben der Reduzierung der zur Verfügung stehenden Wassermenge wird die Wasserqualität in Zukunft die größere Herausforderung darstellen und zunehmend in den Blickpunkt geraten.

Durch die Übernutzung der Grundwasserleiter und die verminderte Grundwasserneubildung wird dies zu qualitativ schlechterem Grundwasser führen, da die Konzentration gelöster Stoffe aus den Gesteinen wie z.B. Chlorid, aber auch durch Einträge aus Industrie und Landwirtschaft zunehmen werden.

Ein weiteres Problem sind die Waldbrände, welche eine unmittelbare Gefahr für Mensch und Tier darstellen. Diese nehmen sowohl in der Häufigkeit als auch in der flächenhaften Ausdehnung zu und werden damit immer unbeherrschbarer.

Auch die Starkregenereignisse mit den Folgen von Überschwemmungen und Bodenerosionen sind ein Zeichen des gestörten Wasserkreislaufs. Hierzu ist zu sagen, dass das Wasser, welches nicht mehr in den Flüssen, Seen und Grundwasserleitern vorhanden ist, jetzt in der Atmosphäre gebunden ist und sich bei bestimmten Wetterkonstellationen extrem niederschlägt.

Welche Auswirkungen sehen Sie für die Wirtschaft?

Die Auswirkungen sind auch in diesen Bereichen spürbar, denn die Produktion in der Landwirtschaft sowie einiger großer Industriebetriebe im Salzlandkreis sind vom Wasser abhängig. Fehlt das Wasser, verringern sich die Erträge beispielsweise in der landwirtschaftlichen Ernte um bis zu 30 Prozent. Verbraucher spüren die Auswirkungen, weil Produkte ganz einfach teurer werden. Dazu zählt sicher auch irgendwann das Trinkwasser. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie sie es schaffen, weiterhin auf dem Weltmarkt zu bestehen.

Deshalb kann ich versichern: Wir machen uns die Entscheidung nicht einfach, ein Wasserentnahmeverbot auszusprechen. Denn jede Beschränkung hat Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit. Das geht hin bis zur Existenzbedrohung. Wir sind uns dieses Spannungsfelds bewusst und wägen bei unseren Entscheidungen sehr genau ab.

Ein Entnahmeverbot stellt aber keine nachhaltige Lösung dar, oder?

Die erlassene Allgemeinverfügung ist als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Vorkehrung zu sehen, die sich einer fortschreitenden Übernutzung der Gewässer entgegenstellt. Wasser muss als kostbares Gut behandelt werden, auch hier im Salzlandkreis. Dafür tragen wir alle Verantwortung.

Die grundsätzliche Frage ist aber, wie wir als Gesellschaft zukünftig leben werden, sprich wie wir uns aufstellen, um die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen. Die Antwort darauf wird entscheiden, ob eine nachhaltige Zukunft auch im Salzlandkreis möglich ist. Dazu gehört, wie wir perspektivisch unsere Städte und ländlichen Räume planen und auch umgestalten. Naturbasierte Lösungen können dabei den Schutz von Klima, Biodiversität und Gesundheit der Bevölkerung miteinander verbinden. Allein mit Verboten kommen wir jedenfalls nicht ewig weiter.

Es bedarf also politischer Lösungen?

Die Nationale Wasserstrategie mit dem Aktionsprogramm Wasser der Bundesregierung orientiert sich am EU-Rechtsrahmen und wird in einem Aktionsprogramm definierte Maßnahmen in den kommenden Jahren schrittweise umsetzen. Auch in Sachsen-Anhalt hat man das Erfordernis des Rückhalts des Wasser erkannt. Das Wassergesetz des Landes befindet sich derzeit in der Überarbeitung. Immer geht es darum, das Recht auf sauberes Wasser als Menschenrecht zu schützen.

Warum ist der Rückhalt des Wassers plötzlich wichtig?

Um es drastisch auszudrücken: Jeder Liter, der in die Elbe fließt, ist für unsere Region verloren. Deshalb muss der Wasserrückhalt mindestens genauso betrachtet werden, wie der Abfluss, der ja bei Hochwasser entscheidend ist.

Was kann jeder tun?

Anfallendes Regenwasser ist grundsätzlich die qualitativ wertvollste Quelle des Gärtners und muss durch geeignete Zisternen, Dachflächen oder einfach dem klassischen Regenfass gespeichert werden. Auch die richtige Bewässerung der Pflanzen, beispielsweise mit Tröpfchen-Bewässerung, aber auch die ganzjährige Bodenabdeckung von Flächen oder das Mulchen offener Flächen mit Heu- oder Grasschnitt haben einen positiven Einfluss auf den Erhalt der Bodenfeuchte. Es sollten hitze- und trockenheitsrelevante und um die Ernte vor der Sommertrockenheit einzuholen, frühreife Kulturen angepflanzt werden.

 

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