Wie neue Entdeckungen am Ringheiligtum von Pömmelte dazu beitragen, die berühmten Hengemonumente Englands und die Himmelsscheibe von Nebra zu verstehen
Das heute touristisch erschlossene Ringheiligtum bei Pömmelte, Salzlandkreis, wurde seit 2005 komplett freigelegt. Auch in diesem Jahr werden die archäologischen Ausgrabungen im Umfeld des Ringheiligtums Pömmelte fortgesetzt.
Das Team der seit Anfang Mai 2019 laufenden Ausgrabung wird seit Mitte Juli durch sechs Studierende der Universität Southampton, deren akademischer Lehrer, Professor Joshua Pollard, Avebury und Stonehenge erforscht, verstärkt. Zusammen mit Studierenden der MLU Halle werden sie in allen Bereichen der archäologischen Feldarbeit ausgebildet. Zwei Gruppen von Nachwuchs-Archäologen verbringen jeweils drei Wochen in Pömmelte.
Untersucht werden derzeit die Flächen um das Rondell. Bereits im vergangenen Jahr konnten der mittlerweile größten frühbronzezeitlichen Siedlung der Aunjetitzer Kultur in Deutschland (ca. 2300–1600 v. Chr.) zahlreiche weitere Langhäuser hinzugefügt werden. Jetzt wird auch eine frühere Siedlungsphase klar fassbar, die der älteren Glockenbecher Kultur am Ende der Steinzeit (ca. 2500–2050 v. Chr.) zugeordnet werden kann. Eine kleine Sensation, bedenkt man, dass in Mitteldeutschland bislang erst wenige vergleichbare Hausgrundrisse aufgedeckt wurden.
Auf eben jene Glockenbecher Leute geht die Anlage des Ringheiligtums zurück. Auch zeitgleiche Bestattungen konnten dokumentiert werden. Die Verstorbenen wurden teils aufwändig in Holzkammern oder Baumsärgen bestattet. Den britischen Grabungsteilnehmern sind die Hinterlassenschaften der Glockenbecher (engl. bell beaker) wohl bekannt. In Südengland ist ihr Institut maßgeblich an der Erforschung der Rituallandschaft um die Heiligtümer von Stonehenge und Avebury beteiligt. Auch Stonehenge wurde durch die Glockenbecher Leute erbaut. Sie trugen die Kenntnis über die Metallverarbeitung über ganz Europa und legten so den Grundstein für die Kommunikationsnetzwerke der folgenden Bronzezeit.
Auch ältere, schnurkeramische Bestattungen (ca. 2800–2050 v. Chr.), konnten in diesem Jahr aufgedeckt werden. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass das rechteckige, deutlich kleinere Vorläufer-Heiligtum in eben jene Epoche datiert. Eine mögliche Parallele dazu im Inneren der Anlage von Avebury wurde erst im April dieses Jahres durch Joshua Pollard und weitere Kollegen publiziert.
Derzeit legen die Studierenden die Reste mehrerer Grabhügel frei. Die Hügel selbst sind längst aberodiert und durch den Pflug eingeebnet worden. Erhalten haben sich lediglich mehrphasige Kreisgräben, die einst die Begrenzung der Hügel markiert haben. Eine Datierung der monumentalen Begräbnisstätten wird erst möglich sein, wenn die zentralen Grabkammern freigelegt sind. Form und Umfang verweisen jedoch in die Schnurkeramische Kultur; Reiternomaden, die am Beginn des 3. Jt. v. Chr. aus der pontischen Steppe nach Europa gelangten, wo die Sitte Grabhügel anzulegen fest etabliert war.
Das Areal in und um das Ringheiligtum in Pömmelte bietet damit einen einzigartigen Einblick in das kulturelle Gefüge des 3. Jt.s v. Chr. Diese Epoche prägten Migration und Innovation maßgeblich. Eben jene Glockenbecher und Schnurkeramiker verliehen uns heutigen Europäern einen Großteil unseres Gensatzes.
Die Befunde und Funde aus Pömmelte ermöglichen aber auch, das soziale und religiöse Umfeld der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur, für das die Himmelsscheibe von Nebra das eindrücklichste Beispiel bietet, besser zu verstehen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen in Pömmelte sind Teil des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Projektes ›Kontextualisiertes Erleben der Himmelsscheibe von Nebra‹. Die Arbeiten werden in Kooperation mit den beiden Universitäten, dem Salzlandkreis, der Kloster Bergeschen Stiftung durchgeführt.
Das Ringheiligtum ist neben der unweit gelegenen Kreisgrabenanlage von Schönebeck Teil einer Rituallandschaft an der Elbe und spielt für das Verständnis der kulturgeschichtlichen Grundlagen am Ende der Jungsteinzeit und für den Beginn der sozialen Komplexität in der frühen Bronzezeit eine zentrale Rolle.
Die Grabungsarbeiten laufen bis Ende September, das Ende des Siedlungs- und Gräberareal wird auch dann nicht erreicht sein. Eine Fortsetzung ist für den kommenden Sommer geplant.
Zu den Grabungen am Ringheiligtum ist jüngst der dritte Teil der Publikationsreihe zu Pömmelte erschienen, der sich mit Mensch und Umwelt im Ringheiligtum befasst.
Blick über das Ringheiligtum und die diesjährigen Grabungsflächen (links im Bild) von Osten. Die weißen Grundrissestellen frühbronzezeitliche Häuser älterer Ausgrabungen dar.
Zwei Bestattungen während der Freilegung.
Glockenbecher Bestattung in Holzeinbau mit Rinderknochen und Gefäß als Beigabe (über dem Schädel)
Kreisgräben verschiedener Zeitstellung östlich der Anlage. Die Gräben markieren den Rand von einstigen Grabhügel. Die Bestattungen, die sie enthalten haben, werden derzeit durch die Studierenden untersucht.
Grundriss eines Glockenbecher Hauses im Luftbild. Deutlich zeichnen sich die charakteristischen, leicht ausbauchenden Längspfostenreihen ab. Die zwei rechteckigen Strukturen im Gebäude dürften von jüngeren Bestattungen stammen.
Grundriss eines Aunjetitzer Hauses im Luftbild. Typisch ist die extreme Länge, die weit über 20 m erreichen kann (hier nicht in Gänze erfasst) sowie der Eingangsbereich, der durch jeweils drei Pfosten an beiden Enden markiert wird (Bildmitte).
Fotos: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Matthias Zirm